abc-Etüde, Die Insel-Story (11)

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von auf irgendwas ist immer.

Die Wortspende für März 2024 bzw. für die Textwochen 10, 11, 12, 13 und 14 des Jahres 2024 kommt von Puzzleblume und ihrem Blog puzzle ❀. Sie lautet:

Abendbrot
heimatlos
auszeichnen.


Teil 11

Jasper schob den Teller für das Abendbrot zur Seite und sah fragend von Emma zu Michael und zurück. „Also, worum geht es?“

Emma schluckte und ergriff das Wort: „Also das ist eine eher inoffizielle Anfrage nach Hilfe“, sagte sie in einem sanften Ton aber mit einer leicht bebenden Stimme.

Jasper zog die Augenbrauen hoch.

Emma holte mehrfach Luft aber brache kein Ton heraus. Auch Michael schaffte es nicht, irgendetwas zu formulieren. Jasper schüttelte ein wenig den Kopf. „Was immer es sein mag, es wird nicht besser werden, wenn sie mir nichts sagen.“

„Ja, da haben sie völlig recht“, sagte Michael überraschend. „Die Sache ist leider ein wenig delikat und irgendwie fragen uns selbst, ob es etwas ernstes oder ein Hirngespinst ist.“

„Nun aber raus mit der Sprache“, sagte Jasper in einem schon fast schon väterlichen Ton.

„Ok, ganz direkt“, begann Emma. „Wir glauben, dass es eine Gruppe von …“

„… Verschwörern oder so etwas ähnliches“, ergänzte Michael.

„Ja, dass es Verschwörer gibt, die scheinbar seit einer Ewigkeit auf dieser Insel ihr Unwesen treiben und immer wieder Personen entsorgt haben und vermutlich entsorgen werden, wenn sie ihnen gefährlich werden.“

Er spürte Emmas enge Verbundenheit mit dieser Insel und fühlte sich einmal mehr heimatlos und unzugehörig.

„Von was für Geschäften reden wir?“

„Wir haben Hinweise auf illegale Machenschaften im Immobiliengeschäft, Schmuggel und Menschenhandel“, schaltete sich Michael wieder ein. „Uns ist klar, wie absurd das in dieser Idylle klingt. Daher brauchen wir eine objektive Meinung. Wenn nur ein Bruchteil von dem wahr ist, was wir entdeckt haben, können wir hier niemandem trauen.“

Jaspers Blick wanderte zwischen Michael und Emma hin und her.

„Wir glauben, dass hier eine Organisation tätig ist, die sich auf der einen Seite für nachhaltigen Tourismus auszeichnen lässt und auf der anderen Seite über Leichen geht.“

Japser lächelte. Sein Jagdtrieb war geweckt.


Dies ist Teil 11 einer bisher endlosen Geschichte. 

Die ganze Insel-Story findest Du hier.

MEERworte

MEERworte sind Texte, die auf Amrum oder auf den Reisen von und nach Amrum entstanden sind.

abc-Etüde, Die Insel-Story (10)

Bild: Christiane von Irgendwasistimmer

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Abendbrot
heimatlos
auszeichnen.


Die Insel-Story (Teil 10)

„Setzen sie sich einfach irgendwo hin“, sagte Emma und hing ihren dunklen Anorak an die Garderobe. Michael hielt sich abwartend zurück, um Jasper nicht aus Versehen den ausgewählten Platz wegzunehmen. Jasper sah sich unsicher um.

Das Büro war klein und bot kaum Platz, doch wirkte es überaus gemütlich. Die halbhohen Gardinen mit den dahingleitenden Segelbooten darauf, der noch immer blühende Weihnachtsstern auf dem Fensterbrett, die kleine Tischlampe mit dem antik wirkenden Lampenschirm, die drei vermutlich selbst gesammelten Wellhornschnecken auf dem Fuß der Lampe und das Schraubglas mit Nordseesand und dem in einer fast kindlichen Schreibschrift geschriebenen „Traumsand“ auf dem Etikett. Der Computer auf dem kleinen Tisch in der Ecke, direkt neben dem leise brummenden Kühlschrank, der mit zahllosen Urlaubspostkarten versehen war, zeigte Sonnenuntergangsbilder von der Insel.

Auf dem Tisch standen zwei Teller, zwei Gläser, ein Krug mit Wasser und daneben lagen jeweils zwei Messer und zwei Gabeln. Kein Teil passte zum anderen und doch passte alles zusammen. Es schien, als wäre bereits alles für ein gemütliches und fast schon ritualisiertes Abendbrot vorbereitet. Er spürte einen Stich in der Seite, der sich anfühlte wie Heimweh, doch wonach? Es gab keinen Ort, den Jasper Heimat nennen würde. Seit seinem 12. Lebensjahr hatte er nie mehr als drei Jahre an einem Ort verbracht. Neue berufliche Herausforderungen und Beziehungen hatten ihn umherwandern lassen, wie einen unruhigen Geist.

Inzwischen war er die berufliche Karriereleiter um einige Stufen aufgestiegen, war hoch dekoriert und mehrfach ausgezeichnet worden. Er war erfolgreich, angesehen und hatte einen tadellosen Ruf. Dass die beiden Kolleg:innen ausgerecht ihn gesucht hatten, war kein Zufall gewesen, auch wenn er noch nicht wusste, weshalb sie ihn gesucht hatten.

Er sah noch einmal auf den Tisch und fühlte sich so heimatlos wie noch niemals zuvor.


Dies ist Teil 10 einer bisher endlosen Geschichte. 

Die ganze Insel-Story findest Du hier.

 

MEERworte

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abc-Etüde, Kälte – MEERworte

Bild: irgendwasistimmer

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Abendbrot
heimatlos
auszeichnen.


Kälte (Teil 9)

Wie weit würde das Wasser noch steigen? Er wusste es nicht, aber wenn es nicht das Wasser war, dass ihn umbringen würde, dann definitiv die Kälte. Verzweifelt versuche er sich in seinen Gedanken an das gestrige Abendbrot vor dem Kamin zu klammern. An den sanften Feuerschein, das Knacken vom Holz, den Funkenflug, die wohligen Wellen durchdringender Wärme. Vergeblich. Die nächste Nordseewelle löschte die Gedanken aus, als würde ein nasser Schwamm über die Tafel gleiten. Wieder und wieder rief er sich die Erinnerung zurück und wieder und wieder wurde sie hinweggeschwemmt.

Das Wasser war inzwischen hüfthoch und er hatte das Gefühl, dass seine Füße, die seit einer Ewigkeit in diesem Wattschlick steckten, bereits abgestorben, nicht mehr Teil seines Körpers waren, sondern nur eisige Fesseln, die ihn einfach nicht freigeben wollten. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sie sich selbst abgeschnitten, aber er kam nicht mehr an sie heran. Sich die Beine ab dem Knie selbst zu amputieren würde ihn jedoch auch innerhalb von Minuten töten. Trotz aller Entschlossenheit schien es keinen Ausweg zu geben.

Die Kälte wurde langsam unerträglich. Sie war kein Gefühl mehr sondern nur noch purer Schmerz. Der Gedanken an seinen bevorstehenden Tod auch.

Er war niemand der aufgab. Das war er schon mehrfach ausgezeichnet worden. So hatte er Wege entdeckt, die er manchmal selbst nicht glauben konnte. Er war schon aus einigen ausweglosen Situationen herausgekommen, doch dieses Mal würde er ohne Hilfe nicht entkommen. Aber von Hilfe war nichts zu sehen. Außer den sanften Licht des Leuchtturms, das in stoischer Ruhe über das Wasser glitt, schien um ihn herum nichts zu sein.

Vielleicht würden sie ihn morgen finden. Ein weiterer Pechvogel, der sich im Watt verirrt hatte. Sie würden versuchen ihn zu identifizieren, aber sie würden nichts finden und ihn irgendwann als namenlosen, heimatlosen Unbekannten beerdigen.


Dies ist Teil 8 einer bisher endlosen Geschichte. 

Teil 1 , Teil 2 , Teil 3 , Teil 4 , Teil 5 , Teil 6 Teil 7, Teil 8 gibt es ebenfalls auf diesem Blog. 

MEERworte

MEERworte sind Texte, die auf Amrum oder auf den Reisen von und nach Amrum entstanden sind.