abc-Etüde, Karten lügen nicht

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf irgendwas ist immer

Die Wörter für die Textwochen 38/39 des Schreibjahres 2021 stiftete Werner mit seinem Blog Mit Worten Gedanken horten. Sie lauten:

Prophezeiung
anständig
verkrümeln.


Karten lügen nicht

Sie wickelte die Tarotkarten aus der Folie und begann sie zu mischen. Ein Vorstellungsgespräch für einen neuen Job, ein Date mit einem noch ziemlich Unbekannten und eine Einladung zu einem Jahrestreffen ihrer alten Schule. Sie fand das war Grund genug, um sich mit einer eigenen Prophezeiung anständig auf die Ereignisse vorzubereiten.

Eine professionelle Kartenlegerin kam natürlich nicht in Betracht. Das wäre viel zu teuer und ohnehin nur Humbug gewesen.

Selbst ist die Frau.

Sie atmete tief durch. „Wie wird die nächste Woche verlaufen?“, fragte sie sich selbst und legte eine erste Karte verdeckt in die Mitte des Tisches. Anschließend links und rechts eine daneben. Für einen Moment sah sie sich die Karten an. Mit zitternden Fingern drehte sie die Karte in der Mitte um. Es war die neun der Schwerter. Eine auf dem Bett sitzende Gestalt mir neun bedrohlichen Schwertern über ihr. Mit großen Augen sah sie die Karte an und wollte sich am liebsten auf ihr Sofa verkrümeln.

„Auf keinen Fall“, rief sie laut und warf die Karte weg. Blitzschnell legte sie eine neue hin. „Jetzt gehts richtig los!“ Sie drehte die mittlere Karte erneut um: Der Gehängte. „Och Nö“, sie feuerte die Karte weg. Nach zwei weiteren Versuchen deckte sie „die Sonne“ auf. Sie las, dass die Sonne Glück bringe, Erfüllung und Freude.

Lächelnd drehte sie die linke Karte um. Es war die acht der Schwerter, die kurz darauf durch den Raum flog. Dieses mal brauchte sie nur einen weiteren Versuch, bevor das Ass der Münzen vor ihr lag: Wohlstand und ein neuer Job. „Wie passend“, dachte sie bei sich und drehte die rechte Karte um. Die düstere fünf der Kelche und sechs weitere Karten wurden vom Tisch gefegt, bis endlich die Karte der Liebenden vor ihr lag.

Das würde eine tolle Woche werden.


Eine andere Tarotkarten-Etüde gibt es hier von umgeBUCHt, auf die ich an der Stelle wegen der thematischen Nähe verweisen möchte.

abc-Etüde, Er kam, er sah, …

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf irgendwas ist immer

Die Wörter für die Textwochen 38/39 des Schreibjahres 2021 stiftete Werner mit seinem Blog Mit Worten Gedanken horten. Sie lauten:

Prophezeiung
anständig
verkrümeln.


Er kam, er sah, …

Die Zelttür wurde aufgerissen. Das erste, was er sah, als der Feldherr eintrat, waren die schweren Stiefel mit den messingfarbenen Schnallen. Nun galt es ruhig zu bleiben.

Der militärische Schritt ließ den Boden erbeben. Die Katze verkrümelte sich in die kleinste Ecke.

Der Feldherr blieb nach drei Schritten stehen. Er hatte einen stechenden, bohrenden Blick.

„Ist er das?“, fragte der Feldherr seinen Begleiter, welcher artig nickte. „Im Morgengrauen werden wir angreifen.“ Der Feldherr machte eine Pause. „Alles ist bereit.“ Pause. „Was hast du mir zu sagen?“

„Herr, ich bin nur ein Seher. Ich befrage meine Ritualien und deute sie mit Blick auf die Zukunft.“

Der Feldherr bewegte sich nicht. Sein Blick durchbohrte ihn. Dann drehte er sich zu seinem Begleiter: „Ich wusste, das ist reine Zeitverschwendung.“

„Herr bitte, wir können nicht ohne Prophezeiung angreifen. Die Truppen wollen wissen, dass der Sieg vorherbestimmt ist.“

„Was? Ich prophezeie, dass wir siegreich sein werden!“

„Herr, mit Verlaub, ihr seid kein Seher.“

„Aber sehen kann ich und ich sehe, dass das hier ein Scharlatan ist.“ Er spuckte in Richtung des Sehers.

Der Seher wich zurück und rief: „Ich habe meine uralten Steine des Wissens befragt.“

„Steine?“, der Feldherr schrie fast. Er drehte sich zu seinem Begleiter. „Willst du mir sagen, meine Truppen glauben eher ein paar Steinen als mir?“

„Nein Herr, aber ….“

Er drehte sich zum Seher und fragte drohend; „Was hast du mir nun zu sagen?“

Der Seher richtete sich auf, sah dem Feldherrn direkt in die Augen: „Es wird morgen einen großen Sieg geben.“

„Hah“, rief der Feldherr. „Ein braves, anständiges Kerlchen. Als wenn ich das nicht selbst gesagt habe.“ Er drehte sich um und verließ das Zelt.

„Der Sieg ist unser“, schrie er weit über das Lager und die Soldaten feierten ihren vermeintlichen Sieg.

„Oder mein“, sagt der Seher leise.

abc-Etüde und Ausdruck der Woche (39) , Wahl

Bild von Christiane

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf irgendwas ist immer

Die Wörter für die Textwochen 38/39 des Schreibjahres 2021 stiftete Werner mit seinem Blog Mit Worten Gedanken horten. Sie lauten:

Prophezeiung
anständig
verkrümeln.


Wahl

es wird wieder gewählt

und hinterher noch ausgezählt

1, 2, 3, 4, miste

im Bundestag biste

ach zum Glück – haben wir die Wahl

denn ohne wäre eine Qual

so wählen wir anständig und bedacht

und hoffen – dass es jeder macht

am Ende lachen die gewählten

und verkrümeln tun sich – die gequälten

Wahlversprechen werden hoch gehalten

denn schon morgen gehör‘n sie zu den alten

schaut man die Wahlversprechen an

geht‘s mit Deutschland steil bergan

das haben uns alle hier erzählt

ist fast egal – wen man da wählt

es kann nur gutes noch passieren

wer auch immer wird regieren

sie führen uns aus finst‘rem Tal

versprochen – wie zur letzten Wahl

wie immer wird sehr viel erhofft

doch vergessen wir da oft

die Entscheidungsspielräume sind klein

das schränkt die Politik stark ein

die Prophezeiung ist daher klar

alles bleibt so wie es war

wir handeln ganz weltwirtschaftlich

nur die Gesichter ändern sich