abc-Etüde, Vermisst

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer

Die Wörter für die Textwochen 06/07 des Schreibjahres 2021 stiftete zum ersten Mal Torsten mit seinem Blog Wortman. Sie lauten:

Affe
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Vermisst

Neugierig ging er auf den Laternenpfahl zu und zog seinen Hund mit sich. „Komm schon Goethe“, sagte er streng.

Goethe war ein reinrassiger Weimeraner mit hervorragendem Stammbaum, was man seinem Benehmen nicht unbedingt anmerken konnte. Er war wild und ungestüm. Eben ein echter Goethe.

Er las den Zettel, der an der Laterne hing. Er war liebevoll bemalt und verziert.

„Lieblingsstofftier vermisst. Die kleine Anna vermisst ihren knallroten Lieblings-Affen. Er hat sehr lange Arme, ein zotteliges Fell und erinnert entfernt an einen Orang-Utan.“ Unter dem Text hatte die kleine Anna scheinbar ihren Affen gemalt. Man brauchte schon ein wenig Phantasie, aber nach der Beschreibung darüber, wusste man sofort, was sie gemalt hatte.

Er konnte sich daran erinnern, als er mit sechs Jahren im Urlaub in Spanien seinen Lieblingsbären im Hotel vergessen hatte. Keines der neuen Stofftiere hatte diesen Bären ersetzen können.

Auf dem Blatt stand auch, auf welchem Weg Anna vermutlich den Affen verloren hatte und wo sie wohnte. Er legte den Kopf schräg zur Seite, sah auf Goethe herunter: „Einen Versuch ist es allemal wert.“

Er ging zum Haus von Anna. Es schien niemand zu Hause zu sein. Er öffnete die Gartentür und ging auf die kleine Schaukel zu. „Komm her Goethe! Schön schnuppern.“

Goethe drücke seine Nase fast auf jeden Zentimeter der kleinen Sitzfläche. „Merk Dir das gut“, sagte er und zog Goethe schnell wieder aus dem Garten. Er schlug den Weg ein, den Anna genommen hatte. Als sie ein Stück vom Haus entfernt waren sagte er: „Such Goethe, such!“

Auch wenn Goethe seinen eigenen Kopf hatte, Dinge zu suchen hatte ihm schon immer gefallen. Er schnupperte und schnüffelte, aber er schien nichts zu finden.

Als eine größere Baustelle die Straße blockierte, wollte er enttäuscht aufgeben, als Goethe plötzlich bellend und schwanzwedelnd an der Leine zog.


Inspiriert durch eine Meldung auf nebenan.de, in der ein Kuscheltier vermisst gemeldet wurde.

abc-Etüde, Transfermarkt

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer

Die Wörter für die Textwochen 06/07 des Schreibjahres 2021 stiftete zum ersten Mal Torsten mit seinem Blog Wortman. Sie lauten:

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ich mag es, fiktive Zukunfts-Dialoge zu erfinden. Von daher ist dies ein Auftakt zu einer vermutlich immer mal wiederkehrenden Reihe.

Zukunfts-Dialoge: Transfermarkt

„Herr Kranold, Sie haben mit dem Kauf ihres Passempfängers einen neuen Transferrekord aufgestellt. Gerade für einen Hybriden aus Gorilla und Brüllaffe ist das eine überraschend hohe Investition. Ist Kiko das wert?“

„Er wird jeden Cent wieder einspielen. In den letzten zwei Jahren hat er fast jeden Rekord für neue Passempfänger gebrochen. Mit ihm sind wir als Team endlich fit für einen Titel.“

„Wenn er sich nicht verletzt.“

„Das Risiko besteht immer. Aber mal ehrlich, der Sport wäre ja auch viel langweiliger, wenn keine Verletzungen möglich wären. Deswegen sind wir ja auf Tiersport umgestiegen.“

„Wegen den Verletzungen?“

„Ja, wegen den Verletzungen und dem Transferhandel. Wie alt sind sie?“

„Vierundzwanzig.“

„Tja, dann haben sie ja die letzten Jahre des noch funktionierenden Transfermarkts nicht mitbekommen. Da wurden Unsummen für Spieler geboten. Bis der Weltgerichtshof den Handel blockiert und anschließend sogar verboten hat, weil er es als Menschenhandel identifiziert hat.“

„Und war es das?“

„Ja sicher! Theoretisch hätten die Spieler auch mal nein sagen können, aber im Sinne ihres Marktwertes war es eigentlich nicht möglich. Sie mussten sich den Regeln des Marktes unterwerfen.“

„Aber Tiere handeln, darf man.“

„Ja sicher. Tierhandel gab es zu allen Zeiten.“

„Und die Verletzungen?“

„Sie haben die Zeiten des Umbruchs nicht miterlebt. In allen Teamsportarten wurden die Regeln immer weiter verschärft, um Verletzungen zu verhindern. Am Ende hatte man das Gefühl, dass die Spieler Mensch-ärgere-Dich-nicht mit rosa Wattebällchen spielen. Das wollte irgendwann keiner mehr sehen. Aber aus Gründen der Humanität war eine Rückkehr zu offeneren Regeln nicht möglich.“

„Also zurück zu Tierkämpfen?“

„Ja! Die hatte es im Untergrund schon immer gegeben. Zu Brot und Spielen gehören eben auch Tote und Verletzte. Denken Sie an das Colosseum. Mit den Affen kehrte endlich wieder der Kampf zurück in die Arenen. Sogar der Duft des Todes kam zurück.“

abc-Etüde, Mentee

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer

Die Wörter für die Textwochen 06/07 des Schreibjahres 2021 stiftete zum ersten Mal Torsten mit seinem Blog Wortman. Sie lauten:

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ich mag es, fiktive Zukunfts-Dialoge zu erfinden. Von daher ist dies ein Auftakt zu einer vermutlich immer mal wiederkehrenden Reihe.

Zukunfts-Dialoge: Mentee

Ich ging auf das Büro zu. Ich hatte keine Ahnung, was mein Chef von mir wollte. Ich beschloss möglichst, souverän das Büro zu betreten und ging mit festem Schritt auf die Automatiktür zu.

Die Tür öffnete sich nicht und ich wäre fast gegen sie geknallt.

Mein Chef öffnete die Tür von Hand.

„Diese blöde Tür blockiert andauernd“, sagte er kopfschüttelnd. „Man sollte meinen, wir müssten in der Lage sein,Türen zu bauen. Aber…“

Ich sah ihn erwartungsvoll an.

„Also B14.2.6.11!“

Ich zuckte zusammen. Das war mein offizieller Name. Das bedeutete nichts Gutes.

„Es ist Zeit für einen Mentee.“

Ich zuckte zusammen. Einen Mentee?

„Sie kennen sicher unter Mentoring-Programm. In diesem Jahr sind sie dran.“

Ich nickte erschrocken.

„Das ist quasi eine interne Auszeichnung. Nicht jeder kann Mentor*in werden!“

„Oh“, sagte ich stockend. „Vielen Dank!“

„Das ist ihr*e neue Mentee.“ Neben ihm erschien in der Luft ein verkleinertes Hologramm.

„Das ist ein Affe“, entfuhr es mir. Ich wurde knallrot vor Scham, weil ich es offen gesagt hatte.

„B14.2.6.11! Ich werde solch rassistische Ausdrücke nicht dulden“, schrie er. Ich duckte mich weg.

„Entschuldigung B12.5.9.61“, sagte ich kleinlaut.

„Es handelt sich um einen Primatoiden. Haben sie damit etwa ein Problem?“

Ich schluckte. Ich sollte mit einem Affen, äh … Prima-irgendwas zusammen arbeiten? Etwas, das in den späten 20erJahren, als die Hilfskräfte fehlten, gezüchtet wurde? Nach vielen Protesten, wurden sie vor zehn Jahren als gleichwertig anerkannt. Was für ein Witz. Aber ich wollte meine Karriere nicht aufs Spiel setzen. Ein gutes Jahr als Mentor würde mich sicher noch eine Stufe aufsteigen lassen.

„Das freut mich B14.2.6.11. Ich wusste, ich kann mich auf sie verlassen. Montag geht es los. Noch Fragen?“

Ich schüttelte den Kopf. Als ich vor der sich nicht öffnenden Tür stand, dachte ich nur noch: „Was für ein Affentheater.“