abc-Etüde, Ist das Kunst …

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von auf irgendwas ist immer.

Die Wortspende für die Textwochen 03/04 des Jahres 2022 stammt zum ersten Mal (hurra!) von Tanja mit ihrem Blog Stachelbeermond. Sie lautet:

Wackelpudding
unverdrossen
knistern.


Ist das Kunst …

„Pssst“, raunte sie ihrer Freundin Brunhild zu.

„Was denn?“

Knister‘ nicht so rum“, zischte sie. „Wie kannst Du jetzt etwas essen?“

„Ich habe Hunger. Eigentlich doch auch kein Wunder bei dem Anblick.“

Sie sah ihre Freundin an und schüttelte den Kopf.

„Mal ehrlich“, flüsterte ihre Freundin ihr ins Ohr. „Ist das nun Kunst oder kann das weg?“

„Das ist Kunst.“

„Echt jetzt? Nur weil es hier in der Kunstakademie steht oder warum jetzt?“

„Weil es eben Kunst ist.“

„Das ist Wackelpudding!“

„Ja, aber eben der größte der Welt.“

„Ja, aber das macht ihn doch deshalb noch nicht zur Kunst, oder?“

„Eben doch!“

„Nur weil er so groß ist. Wenn ich Wackelpudding für meine ganze Familie kochen würden, wäre es vermutlich nicht viel weniger“, bohrte ihre Freundin unverdrossen nach.

„Das sind 512 Kilogramm.“

„Das isst meine Familie mit links. Und Kunst ist es deshalb noch lange nicht.“

Die Angestellte der Kunsthochschule wurde angesichts des Zwiegesprächs etwas lauter: „Dieses Kunstwerk greift den aktuellen Trend des höher, schneller, weiter auf, um ihn gleichzeitig ad absurdum zu führen. Das ist, und ich zitiere an dieser Stelle die Künstlerin, fucking contemporary.“

„Fucking was?“, raunte ihre Freundin.

„Fucking contemporary“, flüsterte sie leise zurück.

„Darf man sowas in einem Museum sagen? Ach ja, ist ja vermutlich von der Kunstfreiheit gedeckt.“

„Das soll nur sagen, dass es absolut zeitgemäß ist.“

„Und warum sagt man das dann nicht so?“

„Ach du weiß doch wie Künster:innen sind“, winkte sie ab.

„Also im Ernst jetzt: ist das Kunst oder kann das weg?“

Sie sah auf den großen Haufen Wackelpudding mit dem bedeutungsschwangeren Namen „Ambrosia Officially Amazing“ und danach zu ihrer Freundin. „Ich glaube, wir können hier weg“, sagte sie, nahm sie an die Hand und beide verließen die Akademie, um sich im nächsten Cafè etwas Süßes zu gönnen.


Inspiriert durch: https://perisphere.de/2014/02/sensationell-kunst-aus-pudding-bricht-rekorde/

Der Dienstag dichtet, (T)önende Stille– Alphabet der Stille – T

Jeden Dienstag gibt es bei Katha ein selbst geschriebenes Gedicht und ich schließe mich dem gerne an.


Aus meinem Alphabet der Stille:

(T)önende Stille

kannst du sie hören

hörst du diese Stille

dieser lautlose Wille

hörst du wie sie alles übertönt

jeden Ton verhöhnt

kannst du hören

wie sie jedes Flüstern überbrüllt

jedes Wispern ganz verhüllt

wie jede Melodie verklingt

und ins Lautlose versinkt

kannst du hören

wie sie alle Geräusch überdeckt

dass selbst der kleinste Laut verreckt

und wie sie ganz gezielt

jeden Ton ganz überspielt

kannst du hören

mit welch unglaubliche Kraft

so eine Stille es doch schafft

stärker zu sein – als Lärm

vielleicht hab ich deshalb – so gern

abc-Etüde, Wie soll ich…

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von auf irgendwas ist immer.

Die Wortspende für die Textwochen 03/04 des Jahres 2022 stammt zum ersten Mal (hurra!) von Tanja mit ihrem Blog Stachelbeermond. Sie lautet:

Wackelpudding
unverdrossen
knistern.


Wie soll ich…

Den ganzen Abend hatten sie Blicke miteinander getauscht. Ihre strahlenden Augen, ihre dunklen Locken hatten ihn sich immer wieder nach ihr umdrehen lassen. Zunächst war er nur ein heimlicher Beobachter, doch irgendwann hatten sich ihre Blicke gekreuzt. Instinktiv wollte er sich umdrehen und beschämt zur Seite schauen, doch etwas in ihm hinderte ihn daran. Unverdrossen und mit einem Mut, der ihm bis dahin unbekannt war, hielt er ihrem Blick stand. Von da an, hatten sich ihre Blicke immer und immer wieder gekreuzt, quer durch den ganzen Konzertsaal.

In der Pause dann waren sie aneinander vorbei gegangen. Es war kaum auszumachen, ob sie sich dort zufällig getroffen oder sich gesucht hatten. Sie erblickten sich in der Menge, hielten direkt aufeinander zu, ohne wirklich auf den anderen zuzugehen. Ein kurzer Blickkontakt, ein kurzes, nur durch die Luft spürbares Streifen von Hand an Hand, dann waren sie aneinander vorbei. Die Luft knisterte dermaßen, dass er das Gefühl hatte, dass sich in diesem Moment alle nach ihnen umsahen, ohne erkennen zu können, was gerade passiert war.

Während des zweiten Teils des Konzerts wurde das unsichtbare Band zwischen ihnen immer fester. Ein Band welches sie nach dem Konzert zueinander führen würde.

So folgte er nach dem Konzert der Spur, die das Band für ihn gelegt hatte. Er sah sie bereits von Weitem, sah ihre strahlenden und doch unergründlich tiefen Augen. Schritt für Schritt bewegten sie sich aufeinander zu. Er suchte verzweifelt nach etwas, was er zu ihr sagen könnte. Welche Worte wären für einen solchen Moment die richtigen. Er fand keine Worte. Sein Kopf fühlte sich an, wie ein Haufen Wackelpudding. Er konnte keinen klaren, festen Gedanken fassen. Als sie voreinander standen kam ihm eine Melodie in den Sinn und er stimmte darin ein: „Wie soll ich meine Seele halten …“