Sprechblasen, Gedankenverdreher

Gedankenspiele – Bedachtes – Halbgedachtes -Durchdachtes und Umgedachtes

Die Texte sind keine Antworten, sondern Fragen an die Welt.


Sprechblasen

ich nehme einen letzten

tiefen Atemzug

springe in meinen

Wörtersee

und folge meinen Gedanken

hinab in die Tiefe

ich will ihnen

auf den Grund gehen

den Ursprung finden

die Quelle sehen

aus der sie sprudeln

ich lasse mich

von schwermütigen

Glaubenssandsäcken

von wortgewaltigen

Gedankengewichten

von buchstabengespickten

Geisteslasten

in die dunklen Regionen

meines eigenen

ich’s ziehen

in meinen eigenen

Memoirengraben

doch immer wieder

bringen mich

seichte Formulierungsblubbern

auftreibende Verallgemeinerungsphrasen

oder

silbenleichte Sprichwortblasen

ein Stück nach oben

ich finde

keine runterziehenden Reizworte

keine wortwuchtigen Weisheiten

keine bleiernden Besinnlichkeiten

keine tonnenschweren Thesen

die schwer genug wären

mich bis auf den Grund

zu bringen

ich atme aus

meine Lungen füllen sich

mit kleinen Sprechbläschen

und ich rede mich

an die Oberfläche


Dieses Gedicht wurde inspiriert durch das Gedicht „Worte“ von Christian Morgenstern, gefunden bei Christiane.

Vielen Dank dafür!

Der Dienstag dichtet, (L)ebende Stille – Alphabet der Stille – L

Jeden Dienstag gibt es bei Katha ein selbst geschriebenes Gedicht und ich schließe mich dem gerne an.

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Aus meinem Alphabet der Stille:

(L)ebende Stille

es gibt eine Stille

die so eindrücklich ist

dass man plötzlich

auf seine ganz eigenen

inneren Geräusche

zurückgeworfen wird

das Blut rauscht in den Adern

das Herz hämmert im Takt

der Atem stürmt ein und aus

eine lebende Stille

die uns das Leben

hören lässt

eine noch größere Stille

könnten wir nicht mehr

erleben

abc-Etüde, Er kam, er sah, …

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf irgendwas ist immer

Die Wörter für die Textwochen 38/39 des Schreibjahres 2021 stiftete Werner mit seinem Blog Mit Worten Gedanken horten. Sie lauten:

Prophezeiung
anständig
verkrümeln.


Er kam, er sah, …

Die Zelttür wurde aufgerissen. Das erste, was er sah, als der Feldherr eintrat, waren die schweren Stiefel mit den messingfarbenen Schnallen. Nun galt es ruhig zu bleiben.

Der militärische Schritt ließ den Boden erbeben. Die Katze verkrümelte sich in die kleinste Ecke.

Der Feldherr blieb nach drei Schritten stehen. Er hatte einen stechenden, bohrenden Blick.

„Ist er das?“, fragte der Feldherr seinen Begleiter, welcher artig nickte. „Im Morgengrauen werden wir angreifen.“ Der Feldherr machte eine Pause. „Alles ist bereit.“ Pause. „Was hast du mir zu sagen?“

„Herr, ich bin nur ein Seher. Ich befrage meine Ritualien und deute sie mit Blick auf die Zukunft.“

Der Feldherr bewegte sich nicht. Sein Blick durchbohrte ihn. Dann drehte er sich zu seinem Begleiter: „Ich wusste, das ist reine Zeitverschwendung.“

„Herr bitte, wir können nicht ohne Prophezeiung angreifen. Die Truppen wollen wissen, dass der Sieg vorherbestimmt ist.“

„Was? Ich prophezeie, dass wir siegreich sein werden!“

„Herr, mit Verlaub, ihr seid kein Seher.“

„Aber sehen kann ich und ich sehe, dass das hier ein Scharlatan ist.“ Er spuckte in Richtung des Sehers.

Der Seher wich zurück und rief: „Ich habe meine uralten Steine des Wissens befragt.“

„Steine?“, der Feldherr schrie fast. Er drehte sich zu seinem Begleiter. „Willst du mir sagen, meine Truppen glauben eher ein paar Steinen als mir?“

„Nein Herr, aber ….“

Er drehte sich zum Seher und fragte drohend; „Was hast du mir nun zu sagen?“

Der Seher richtete sich auf, sah dem Feldherrn direkt in die Augen: „Es wird morgen einen großen Sieg geben.“

„Hah“, rief der Feldherr. „Ein braves, anständiges Kerlchen. Als wenn ich das nicht selbst gesagt habe.“ Er drehte sich um und verließ das Zelt.

„Der Sieg ist unser“, schrie er weit über das Lager und die Soldaten feierten ihren vermeintlichen Sieg.

„Oder mein“, sagt der Seher leise.