
Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer
Die Wörter für die Textwochen 47/48 des Schreibjahres 2020 stiftete (endlich mal wieder) Ulli Gau mit ihrem Blog Café Weltenall. Sie lauten:
Quelle
griesgrämig
stöbern.
Nymphe
Griesgrämig schaute er in den schneewolkenbedeckten Himmel. Ein Wetter, um Zuhause zu bleiben, doch er zog Stiefel und Winterjacke an und nahm seinen Hut. „Keine guten Bedingungen“, dachte er sich, obwohl er überhaupt nichts darüber wusste, welche Bedingungen gut wären. Streng genommen war es ein lächerliches Unterfangen, welches er sich vorgenommen hatte.
Er trat hinaus und sog die kalte Nachtluft ein. Der Vollmond war nur als leichter Schimmer hinter den Wolken zu erkennen. Er schaltete seine Taschenlampe ein und marschierte los. Kurz nach elf. Er würde rechtzeitig ankommen.
Er betrat die Lichtung, die im Lichtkegel seiner Taschenlampe klein und unscheinbar aussah. Als er sie vor ein paar Tagen gefunden hatte, war sie ihm wie eine Kathedrale vorgekommen. Behutsam trat er an die Quelle heran und setzte sich auf einen Stein.
Er hatte keine Ahnung, woher das Buch gekommen war oder wer es geschrieben hatte. Er hatte das Haus vor zwölf Jahren gekauft. Als er vor einer Woche durch die Hinterlassenschaften der ehemaligen Besitzer auf dem Dachboden gestöbert war, hatte er das Buch gefunden. Vielleicht waren es einfach nur Geschichten und Märchen. Doch die Geschichte der kleinen Nymphe, die bei Vollmond um Mitternacht aus einer Quelle entstieg, hatte ihn gefesselt. Umso mehr, als er entdeckt hatte, dass die kleine Karte den Wald vor seiner Haustür beschrieb. Er war der Karte gefolgt und hatte die Quelle gefunden.
Seitdem hatte er der Plan gefasst, hier zu sein, wenn es bei Vollmond Mitternacht schlagen würde. Nun war er hier. Er sah auf die Uhr. Noch zwei Minuten. Er zog die Arme eng an sich heran. Der Himmel riss etwas auf und tauchte die Lichtung und die Quelle in ein silbriges Licht. Er hielt den Atem an, als der Zeiger auf Mitternacht sprang.