abc-Etüde, Fingerfertig

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer.

Die Wörter für die Textwochen 12/13 des Schreibjahres 2021 stiftete die Frau Puzzleblume (ich habe vergessen, ob ich deinen Vornamen nennen darf) mit ihrem Blog Puzzle❀. Sie lauten:

Dackelfalten
fruchtig
scheppern.


Fingerfertig

Gleich würde das Motiv der letzten Runde ausgelost werden. Noch lag sie auf einem aussichtsreichen dritten Platz.

In der ersten Runde hatte sie etwas Pech. Ausgerechnet. Eigentlich war es fast unmöglich in der ersten Runde bereits Punkte zu verlieren. Diese erste Runde diente eigentlich nur dazu, dem Publikum zu zeigen, dass das was sie taten, keine Hexerei war.

Sie hatte ihre Finger gut aufgewärmt und die ersten Schritte hatte sie schon so oft gemacht, dass sie bereits Routine waren. Doch dann – ein kleiner Riss. Punktabzug. Letzter Platz.

Aber schon in Runde zwei konnte sie gut aufholen. Die fruchtigen Motive mochte sie schon immer. Hier hatten viele Konkurrent*innen Schwierigkeiten und schon oft war dies der Moment, in dem sie eine Meisterschaft für sich entschieden hatte. Mit ihrer Ananas hatte sie dieses Mal die zweite Runde klar für sich entschieden. Platz fünf von zwölf.

In der Runde drei ging es um Blumen. Freie Motivwahl. Ihre Blume mit den acht Blütenblättern war gut angekommen. Platz drei.

Als nächstes kamen die Tiermotive. In dieser Runde würde das Motiv per Los gezogen werden und alle würden das gleiche Motiv umsetzen. In diesen Runden kam es auf absolute Präzision an. Nun ging es um echte Millimeterarbeit. Sie hoffte auf einen Elefanten. Den konnte sie quasi im Schlaf. Oder einen Fuchs. Eigentlich durfte fast alles kommen, außer …

Sie erinnerte sich an die letzte Meisterschaft, wo sie aussichtsreich in Führung liegend den Titel wegen diesem blöden Vieh verloren hatte. Ihre Silbermedaille hatte sie nach der Siegerehrung so wütend in die Ecke geworfen, dass es laut gescheppert hatte und die Medaille seitdem etwas verbogen war. Ein Jahr lang hatte sie diese Figur wieder und wieder geübt, aber das Dackelfalten ging ihr einfach nicht von der Hand.

Der Lautsprecher in der Halle knackte.

abc-Etüde, Entsperrung

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer.

Die Wörter für die Textwochen 12/13 des Schreibjahres 2021 stiftete die Frau Puzzleblume (ich habe vergessen, ob ich deinen Vornamen nennen darf) mit ihrem Blog Puzzle❀. Sie lauten:

Dackelfalten
fruchtig
scheppern.


Entsperrung

Es hatte ziemlich gescheppert. Als Hubert ins Wohnzimmer kam, lag sein neues Tablet auf dem Boden und daneben stand mit einem unschuldsbeteuernden Dackelblick sein Dackel Fridolin. 

„Was hast du angestellt“, fragte er ihn wohlwissend, dass er keine Antwort bekommen würde. Immerhin rang sich Fridolin ein Bellen ab.

Hubert und Fridolin waren seit sechzehn Jahren ein Paar. Manche Menschen, die Hubert gut kannten, sagten hinter vorgehaltener Hand, dass ihm Fridolin wichtiger war als seine eigene Frau. Zumindest wurde er mit seinem Dackel deutlich öfter gesehen, als mit seiner Frau.

Seit Hubert Rentner war, zogen die beiden drei Mal am Tag ihre Runde durch das kleine Wohngebiet und über die immer fruchtig riechende kleine Streuobstwiese am Stadtrand. Da konnte es schneien, regnen oder stürmen, die beiden waren nicht von ihrem Vorhaben abzubringen. Hubert hatte immer drei kleine Beutelchen für Fridolins Hinterlassenschaften dabei und entsorgte diese immer ordnungsgemäß im dafür vorgesehen Mülleimer am Ende der Wiese.

Huberts Frau hatte schon mehrfach gesagt, dass sich die beiden immer ähnlicher wurden. Sie meinte damit vor allem die Sturheit von Hubert und Fridolin, doch inzwischen übertrug sie es auch auf immer mehr andere Begebenheiten.

Hubert gab zu, dass er im Alter vielleicht etwas sonderbarer geworden war, doch er war der Meinung, dass alle Menschen im Alter sonderbarer werden würden. Dies, so war er der Meinung, galt für Hunde eben auch und für Dackel im besonderen.

Vor kurzem hatte er sich mit Fridolin gemeinsam fotografieren lassen. Seine Frau hatte laut gelacht und gefragt, wer denn wer sei auf dem Foto. Hubert fühlte sich tief getroffen.

Vielleicht hatte er inzwischen ein paar Dackelfalten, aber er sah doch keineswegs so aus wie sein Hund.

Nun stand er jedoch vor Fridolin und seinem am Boden liegenden aktivierten und entsperrten Tablet, bei dem er erst gestern die neueste Gesichtserkennungssoftware installiert hatte.

abc-Etüde, Prachtstraße

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer.

Die Wörter für die Textwochen 12/13 des Schreibjahres 2021 stiftete die Frau Puzzleblume (ich habe vergessen, ob ich deinen Vornamen nennen darf) mit ihrem Blog Puzzle❀. Sie lauten:

Dackelfalten
fruchtig
scheppern.


Prachtstraße

„Damit, meine sehr verehrten Gäste, verpassen wir den Dackelfalten von Berlin eine ordentliche Botox-Spritze“, sagte er lachend und ein tosender Applaus kam auf.

Zwei Stunden zuvor hatten er und sein Partner sich in ihren Designeranzügen im Stehcafé am Alex getroffen.

„Ich hab echt weiche Knie“, sagte er zu seinem Partner Triton. Triton hieß eigentlich Harald, aber für das zukunftsweisende Projekt brauchte es nicht nur ein bombastisches Konzept sondern auch schillernde Namen. So wurde er zu Adeon Fürstengut und Harald zu Triton Hohenstein.

Die Idee war verwegen, sogar etwas größenwahnsinnig und damit irgendwie passend für Berlin.

„Das wird schon“, sagte Triton. „Alle sind doch jetzt auf dem E-Auto-Trip. Wir bieten die Chance ein weltweit einmaliges Ausrufezeichen zu setzen.“

„Ja, aber es gibt auch Pläne für eine autofreie Stadt.“

„Ja“, lachte Triton. „Angeblich versuchen wir ja auch das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten.“

„Da passt unsere Idee gut hinein.“

„Wenn man die CO2 Produktion für den Bau nicht einberechnet“, sagte Triton mahnend. „Eine Diskussion darüber müssen wir unbedingt verhindern.“

Adeon nickte. „Dennoch, der Begriff Prachtstraße ist doch auch irgendwie altmodisch, gerade hier in Berlin.“

„Und doch ist es genau das, was die Politiker anspricht. Sie können sich damit quasi ein Denkmal setzen. Jede große Stadt hat ihre Prachtstraße.“

„Und wir haben bald den Wowereit-Damm“, sagte er ehrfürchtig und wedelte mit ihrem fruchtig zitronengelben Prospekt.

„Eine Autobahn für selbstfahrende Elektroautos einmal mitten durch Berlin. Heerstraße, Siegessäule, Brandenburger Tor, Rotes Rathaus, Tierpark Berlin, Hoppegarten. Eine gigantische elektrische Schlagader im Herzen der Stadt.“

„Hey, nicht das Wort gigantisch. Das erinnert zu sehr an die Germania-Pläne.“

„Du hast recht.“, sagte Triton und stand auf. Er stieß an den Tisch und scheppernd fiel seine Tasse zu Boden.

„Scherben bringen Glück“, sagte Adeon und beide gingen aufgeregt auf das rote Rathaus zu.