Erdentanz

„Ich melde mich ab, ich möcht einen Pass, in dem Erdenbewohner drin steht.“ Diese Textzeile von Dota kam mir sofort in den Sinn, als ich über das Tanzthema ERDE nachdachte. Ich kann diesen Nationalitätenwahn nicht verstehen. Nur die wenigstens Menschen haben auch nur die geringste bewusste Anstrengung dafür unternommen, um ein*e Was-auch-immer zu sein. Der eigene. Anteil daran, ein*e Was-Auch-immer zu sein, ist so verschwindend gering, dass ich den Stolz darauf nicht nachvollziehen kann. Sicher kann ich mich darüber freuen. Und ja, ich möchte auch daran mitwirken, dass es diesem Land gut geht. Aber wie könnte ich stolz auf etwas sein,  dass mir zufällig in den Schoß gefallen ist? Mit Erdenbewohner*in könnte ich mich schon sehr viel besser identifizieren. Auch hierzu habe ich nichts beigetragen und wäre folglich auch nicht stolz darauf. Aber ich finde, dass es die eigene Verantwortung erweitert. Als Erdenbewohner*in bin ich für die Erde verantwortlich, meine Verantwortung endet nicht an irgendeiner Grenze. Wenn ich mir die Berichte über den Weltraumschrott anschaue, ist Erdenbewohner*in vermutlich sogar schon zu wenig. Vielleicht dann sogar gleich Milchstraßenbewohner*in. Zum Glück ist die Reichweite unserer Naturvernichtung noch nicht über die Galaxie hinausgegangen.

Doch wie kann man sich mit diesen Gedanken nun im Takt bewegen. Wie die schweren Sorgen und Gedanken um unsere Welt in Bewegung versetzen? Da helfen zum Glück ein guter Rhythmus und eine freundliche, wertschätzende und achtsame Umgebung. In einer Annäherung aneinander versuchten wir die Ehrfurcht vor der Erde zu tanzen und balancierten sie auf unseren Fingerspitzen. Tanzten um sie herum und ließen sie zwischen uns wachsen. Es war wie ein Ritualtanz, eine Ehrerbietung. Zu sechst vertanzten wir anschließend die Lebensfreude, bevor wir zu neunt versuchten einen gemeinsamen, schwarmähnlichen Bewegungsrhythmus zu finden. Mit Trommelrhythmen erdeten wir uns, um anschließend unseren ganz persönlichen Wunsch an Mutter Erde zu formulieren. Ich kniete mich mit einem Bein auf den Boden, legte eine Hand auf die Tanzfläche und schloss die Augen. Vor meinem geistigen Auge öffnete sich ein Schacht, der tief und tiefer in die Erde hineinführte. Ich versuchte ihn zu erkunden, einen Grund zu erkennen, doch er schien endlos. Schließlich bemerkte ich, dass weiße Wolken in einem wilden Rhythmus über den Schacht hinwegzogen. Ich richtete mich auf, schaute mit geschlossenen Augen in den stürmischen Himmel des Tanzsaals und nahm die Energie, der über mich hinwegrasenden Wolken auf. Ich spürte, wie sich die Energie in mir sammelte. Es war so viel Kraft und Energie, dass ich der anschließenden Meditation nicht folgen konnte. Ich hatte ein unerwartetes Geschenk erhalten. Nach einer Reihe von kraftlosen Tagen hatte ich das Gefühl neu aufgeladen worden zu sein. Eine scheinbar unerschöpfliche die Energie durchströmte mich. Ich hätte wohl noch die ganze Nacht tanzen können.