
Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von auf irgendwas ist immer.
Die Wortspende für die Textwochen 38/39 des Jahres 2022 stammt von Ellen mit ihrem Blog nellindreams. Sie lautet:
Regentonne
sensibel
schwanken.
Stürmische Zeiten
Wir waren vier Stunden durch die Dünen, den Nationalpark und am Strand entlang gewandert, bevor der Sturm uns überrascht hatte. Wir hatten noch eine kleine Rast gemacht, Kaffee aus unseren Thermoskannen getrunken, er mit Koffein, ich ohne und Kekse gegessen, als ich den näherkommenden Sturm spürte. Ich bin sehr sensibel beim Wetter.
Wir dachten, wir hätten noch genug Zeit, doch der Regen kam schnell und wurde immer stärker. Die Windböen schlugen mir regelrecht ins Gesicht und ich stemmte mich verzweifelt gegen den Wind. Ich hatte Mühe, den kleinen Holzsteg noch zu erkennen, auf dem wir liefen. Wir kennen den Steg quasi wie unsere Westentasche. Wir waren schon so oft hier und waren den Weg durch die Dünen schon hunderte Male gegangen, doch erst heute bedauerte ich, dass es kein Geländer gab, keine Möglichkeit, sich festzuhalten.
Ich drehte mich nach meinem Mann um. In den wilden Regenböen konnte ich ihn kaum erkennen. Lediglich seine stahlblaue Regenjacke blitzte ab und an auf. An der erkenne ich ihn immer, denn sie hat die gleiche Farbe wie unsere Regentonne. Naja, und seine Figur, na sie wissen schon.
Mein Mann schwankte bedrohlich auf dem kleinen Steg, aber ich hatte genug mit mir selbst zu kämpfen. Eine Bö erfasste mich und drückte mich fast vom Steg. Ich stemmte mich mit all meiner Kraft dagegen und ging weiter.
Als ich das Ende des Stegs erreicht hatte, drehte ich mich erneut um, doch ich konnte nichts erkennen. Ich betet, dass mein Mann jeden Moment auftauchen würde. Ich starrte in den Regen auf der Suche nach der blauen Regenjacke und schien nach ihm, aber es war nichts zu sehen oder zu hören, außer dem Regen.
„Frau Standler wussten sie, dass ihr Mann eine hohe Menge an Schlafmittel genommen hatte“, fragte der Kommissar der Kriminalpolizei sie nun zum dritten Mal.