abc-Etüden. Wieder…

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von auf irgendwas ist immer.

Die Wortspende für die Textwochen 25/26 des Jahres 2022 stammt von Donka mit ihrem Blog OnlyBatsCanHang. Sie lautet:

Wiedergeburt
blümerant
antanzen.


Wieder…

Mit schnellem Schritt geht er auf die Treppe der U-Bahnstation zu. Tief atmet er die kalte Abendluft ein, um sich zu beruhigen. Er ist froh, den Absprung geschafft zu haben. Er hatte von Anfang an kein gutes Gefühl gehabt, bei diesem Date. Das ziemlich kryptisch verfasste Profil war ihm schon beim ersten Lesen suspekt vorgekommen. Immer wieder hatte er das Profil öffnet und war jedes Mal auf neue gefangen. Er hatte er sich gesagt, dass er sich nicht mit ihr treffen wolle, doch diese türkisblauen Augen ließen ihn nicht mehr los.

Als er vor zwei Stunden vor dem Café gestanden hatte, war ihm äußerst blümerant zu mute. Es hatte sich irgendwie angefühlt, als müsste er zu einer Inspektion seiner Seele antanzen. Diese Augen, das spürte er, würden bis in den letzten Winkel seines Selbst blicken können. Er hatte Angst und konnte doch nicht widerstehen.

Als er ihr gegenüber saß, brachte er fast kein Wort über die Lippen. Diese Augen raubten ihm den Verstand. Er hatte große Mühe ihren Worten zu folgen, geschweige denn sich aktiv am Gespräch zu beteiligen.

Erst nach und nach gelangten erste Wortfetzen an sein Ohr. Sie bezeichnete sich als Wiedergeburt einer ägyptischen Tempelpriesterin. Er zuckte innerlich zusammen, denn er glaubte nicht an Wiedergeburten. Sie berichtete ihm as ihrem früheren Leben, von Menschenopfern und Weissagungen und verängstigte ihn mit jedem Satz mehr und doch konnte er sich nicht losreißen.

Den Moment, als sie das Damenklo betrat, nutzte er sofort. Losgelöst aus dem Bannkreis ihrer Augen, war ihm endlich die Flucht gelungen.

Noch etwas benommen betritt er den U-Bahnwagon und setzt sich. Er will durchatmen, doch etwas blockiert ihn. Als er durch den Wagon schaut, bleibt sein Blick an einem Paar türkisblauen Augen hängen.

10 Gedanken zu “abc-Etüden. Wieder…

  1. Oh. Na, das nennt man wohl eine schicksalhafte Begegnung.
    Bei der Szene im Café würde ich noch nicken – soll es geben, so etwas (ich meine das Setting, nicht die Wiedergeburt bzw. die Erzählung, das muss jede*r selbst entscheiden), aber dass sie plötzlich in der U-Bahn auftaucht, wenn sie es ist, das sind keine guten Nachrichten … 🤔
    Du warst viel zu lange weg.
    Morgenkaffeegrüße 🌳🌦️☕🍪🌼👍

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    1. Tja, ob sie es ist, überlasse ich ja gerne den Lesenden – wie Du weißt.
      Das Leben schreibt eben die verrücktesten Geschichten. Aber aus gegebenem Anlass habe ich vor, in Zukunft wieder mehr zu schreiben. Aber es ehrt mich, dass Du das schreibst.
      Liebe Grüße 😊🙏🌻

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      1. Vielleicht gibt es von Mensch zu Mensch auch verschiedene Bewertungen des sogenannten „Bauchgefühls“. Ich habe wirklich eine Weile drüber nachgedacht, ob ich mich an Situationen erinnere, wo ich wider meine Intuition gehandelt hätte, ganz gleich, mit welchem Ausgang.

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      2. Bestimmt. Es wird den Menschen ja auch geradezu aberzogen, das diffuse „Bauchgefühl“ ebenso zu achten, wie die im inneren Dialog mit sich selbst besser zu erschliessenderen Botschaften der Vernunft.

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  2. Pingback: Etüdensommerpausenintermezzo 2022 – Hinter den Kulissen | Irgendwas ist immer

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