
Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer.
Nach guter Tradition werden die Wörter im Break immer von dem Etüdenerfinder oder von mir gespendet. Für die Textwochen 14/15 des Schreibjahres 2021 haben wir uns zusammengetan. Die Wörter stammen also von Ludwig Zeidler (bloggt nicht mehr), und Irgendwas ist immer. Sie lauten:
Sonnenhut (ist übrigens auch eine (Heil-)pflanze, Echinacea)
haltlos
massieren.
Wie immer an dieser Stelle der Verweis auf den Etüden-Disclaimer. Die Headline für die Etüden heißt: 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern.
Hut reguliert
Halt junge Dame! Was glauben sie, was sie da tun?“
Sie zuckte zusammen. Der Polizist hatte sie mit einem festen Griff am Handgelenk gepackt.
„Was soll das?“, fragte sie erschrocken.
„Wo wollen sie denn so hin?“ Er sah sie streng an.
„Na an den Strand, was denn sonst.“ Sie war etwas verunsichert. Endlich ließ er ihre Hand los und sie massierte ihr schmerzendes Handgelenk.
„Ihnen ist hoffentlich klar, dass sie damit einen Verstoß begehen?“
„Einen Verstoß? Weil ich an den Strand will?“ Sie sah ihn erstaunt an. Was sollte das? Wollte er sie mit einem so haltlosen Vorwurf vielleicht anbaggern?
„Wo ist ihr Sonnenhut?“
„Ich trage keinen!“
„Ja eben!“
„Wie meinen sie das?“
„Ich meine damit, dass sie gemäß der Gesundheitsverordnung am Strand einen Sonnenhut tragen müssen: jeden Tag, unabhängig vom Wetter und in der Zeit von acht bis achtzehn Uhr.“
„Eine Sonnenhutpflicht?“
„Darüberhinaus scheinen sie auch keine Sonnencreme aufgetragen zu haben.“
„Ist das auch Pflicht?“
„Ja sicher! Bei einem Aufenthalt am Strand sind sie verpflichtet beim Betreten und beim anschließenden Verweilen stündlich sich einzucremen.“
„Stündlich?“
Sie sah sich um. Tatsächlich trugen alle am Strand einen Hut und merkwürdigerweise sogar alle den gleichen.
„Warum tragen alle den gleichen Hut?“
„Nun es dürfen natürlich nur Hüte mit aktuellem Sicherheitszertifikat getragen werden.“
„Davon scheint es nicht allzu viele zu geben.“
„Aktuell gibt es nur einen einzigen Anbieter, der ein Sicherheitszertifikat erhalten hat.“
„Ich glaube, da verzichte ich lieber auf den Strand und nehme die Promenade.“
„Sie wissen hoffentlich, dass sie auch auf der Promenade einen Sonnenhut tragen müssen.“
Sie schaute zur Promenade Die Menschen dort trugen alle einen einheitlichen Hut.
„Aber das sind ja andere Hüte“, sagte sie erstaunt.
„Ja! Die Gefährdungslage ist aufgrund der veränderten Sonneneinstrahlung auf der Promenade ja eine ganz andere.“
„Dann gehe ich besser zurück ins Hotel.“
„Barfuß?“
Eine sehr schöne Geschichte… !
Lustig und doch auch zum Nachdenken anregend, da sie so realistisch ist… !
Gefällt mir sehr gut, lieber Christian.
Liebe Grüße, Hannah
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Vielen lieben Dank Hannah
und liebe Grüße
Christian
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Und was ich noch hinzufügen möchte:
gerade die Absurdität dieses Szenarios, das du da ausmalst,
scheint mir das Realistische daran zu sein.
Liebe Grüße nochmal, Hannah
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Es zeigt ja doch immer wieder, dass wir in unserem Regulierungswahn auf allen Ebenen, immer mal wieder das Maß verlieren.
😊🌻🙏
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Schöne neue Welt! 🤬😁
Wieso hat das Hotel sie eigentlich überhaupt vor die Tür gelassen? 🤔
Morgenkaffeegrüße mit Dank 😉🌥️🥐☕👍
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Meinst Du so jemand gehört gleich weggesperrt? 😊
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Ich meine, dass das Hotel Aufsichtspflichten hat 😁
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Echt? Ein Hotel als verlängerte Arm des Ordnungsamts? Des kann ich mir nicht vorstellen.
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Und ich mir keine Aufpasser am Strand.
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Aber die gibt es ja schon, auch wenn sie aktuell nicht aus Sonnenhüte achten.
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Gruseliger Blick in die Zukunft?
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Na wollen wir es mal nicht hoffen! 😊
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Oder nicht zulassen?
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Ja, sehr realistisch. Und Eltern, die ihre Kinder ohne Sonnenhut und uneingecremt am Strand spielen lassen, oder sie barfuß laufen lassen (wie leicht kann sich ein Seeigel in ihr Füßchen bohren? Oder ein Muschelscherben?) ist das Sorgerecht umgehend zu entziehen. Schließlich geht die Gesundheit vor, da gilt es nicht zu flackern und zu zögern. Und wenn das Kind schreit und zur Mama will, einfach ein Pflaster auf den Mund kleben. Nicht dass es noch mit dem Schreien Areosole in die Luft bläst und die vergreisten Politiker von irgendwas angesteckt werden! Grummel.
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Wir hier unten im alpinen Süden haben es besser: Hier kann man keinen Verstoß begehen; man kann höchstens in Verstoß geraten, und auch nur dann, wenn man ein Akt ist.
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Solange sie nur in Verstoß gerät und nicht vernichtet wird, ist die Akte ja vielleicht noch zu retten!
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Ich mach mir keine großen Hoffnungen. In der Praxis läuft beides auf’s Gleiche hinaus.
Und bei euch da oben – seh‘ ich jetzt wieder – wird viel klarer unterschieden zwischen dem Bild von einer/einem Nackerten und dem Papier, das sie in Ämtern vollschreiben. Das läuft bei uns auch auf’s Gleiche hinaus.
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Eines unserer Kinder kann sich dann ja in Weimar beim Amtsgericht beschweren, dann wird die Verordnung wohl wieder gekippt.
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Gut, dass es kein Aluhut war.
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Eine gelungene Parabel
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Vielen Dank! 😊🙏🌻
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