abc-Etüde, Entsperrung

Die abc-Etüden sind eine Schreibeinladung von Christiane auf: irgendwas ist immer.

Die Wörter für die Textwochen 12/13 des Schreibjahres 2021 stiftete die Frau Puzzleblume (ich habe vergessen, ob ich deinen Vornamen nennen darf) mit ihrem Blog Puzzle❀. Sie lauten:

Dackelfalten
fruchtig
scheppern.


Entsperrung

Es hatte ziemlich gescheppert. Als Hubert ins Wohnzimmer kam, lag sein neues Tablet auf dem Boden und daneben stand mit einem unschuldsbeteuernden Dackelblick sein Dackel Fridolin. 

„Was hast du angestellt“, fragte er ihn wohlwissend, dass er keine Antwort bekommen würde. Immerhin rang sich Fridolin ein Bellen ab.

Hubert und Fridolin waren seit sechzehn Jahren ein Paar. Manche Menschen, die Hubert gut kannten, sagten hinter vorgehaltener Hand, dass ihm Fridolin wichtiger war als seine eigene Frau. Zumindest wurde er mit seinem Dackel deutlich öfter gesehen, als mit seiner Frau.

Seit Hubert Rentner war, zogen die beiden drei Mal am Tag ihre Runde durch das kleine Wohngebiet und über die immer fruchtig riechende kleine Streuobstwiese am Stadtrand. Da konnte es schneien, regnen oder stürmen, die beiden waren nicht von ihrem Vorhaben abzubringen. Hubert hatte immer drei kleine Beutelchen für Fridolins Hinterlassenschaften dabei und entsorgte diese immer ordnungsgemäß im dafür vorgesehen Mülleimer am Ende der Wiese.

Huberts Frau hatte schon mehrfach gesagt, dass sich die beiden immer ähnlicher wurden. Sie meinte damit vor allem die Sturheit von Hubert und Fridolin, doch inzwischen übertrug sie es auch auf immer mehr andere Begebenheiten.

Hubert gab zu, dass er im Alter vielleicht etwas sonderbarer geworden war, doch er war der Meinung, dass alle Menschen im Alter sonderbarer werden würden. Dies, so war er der Meinung, galt für Hunde eben auch und für Dackel im besonderen.

Vor kurzem hatte er sich mit Fridolin gemeinsam fotografieren lassen. Seine Frau hatte laut gelacht und gefragt, wer denn wer sei auf dem Foto. Hubert fühlte sich tief getroffen.

Vielleicht hatte er inzwischen ein paar Dackelfalten, aber er sah doch keineswegs so aus wie sein Hund.

Nun stand er jedoch vor Fridolin und seinem am Boden liegenden aktivierten und entsperrten Tablet, bei dem er erst gestern die neueste Gesichtserkennungssoftware installiert hatte.

27 Gedanken zu “abc-Etüde, Entsperrung

  1. Das ist ja großartig! Was das für Möglichkeiten eröffnet …
    Ich weiß, der Spruch von Herr und Hund, die sich immer ähnlicher werden, ist alt. Aber schön, dass du ihn zu Ende gedacht hast, überaus vergnüglich! 😁
    Gilt das auch für Frauen? Gilt das auch für Katzen? 😺 Muss mal in die Forschung gehen …
    Morgenkaffeegrüße 😁🌥️☕🥐👍

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      1. Ich habe heute morgen die Geschichte eines Kabarettisten gehört. Er sei von einer Frau angesprochen worden, ob er das Handy ihres Mannes entsperren könne. Er würde ihm so ähnlich sehen und der Mann hatte gerade eine Nasenoperation gehabt, so dass das handy nicht reagiert. Er meinte vielleicht gäbe es bald professionelle Mimen, die alle Gesichtsausdrücke nachahmen und so Handys entsperren könnten, quasi Gesichtsschlüsseldienste. Auch eine nette Idee.
        Viele grüße
        Christian

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  2. Also schon als ich begann Deine Geschichte zu lesen, sah ich vor meinem geistigen Auge den Hubert mit Dackelfalten…. also ich finde der Hubert hat sie schon…. und der Schluß kam wieder mal sehr überraschend – der war in meiner Zukunftsschau nicht vorgekommen.😉

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  3. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 14.15.21 | Wortspende von Ludwig Zeidler und Irgendwas ist immer | Irgendwas ist immer

      1. Danke übrigens dass schreibrausch jetzt auf Deiner Seitenleiste erscheint. Das ist aber ein Text, kein Link. Draufklicken bleibt ohne Effekt, soweit ich das sehen konnte.. Probier es mal aus und nimm mir mein Gemecker nicht übel. Freundlicher Gruß vom Sinnfinder.

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